Hans Brümmer - Der (bald nicht mehr) vergessenste Sohn Tauberbischofsheims

Vorbemerkung eingefügt 15.12.2016: Wie man hört, tut sich einiges in der Erinnerung an Hans Brümmer in Tauberbischofsheim. Das macht einige meiner hart-kritischen Bemerkungen obsolet. Das freut einen sehr, wenn die Erinnerung an diesen Sohn der Stadt in Tauberbischofsheim wieder einsetzt.


Zum 50.Todestages von Hans Brümmer erinnerten die Fränkischen Nachrichten, Bürgermeister Vockel und Gerd Koch, erster Bevöllmächtiger der IG Metall Tauberbischofsheim, an Hans (Johann) Brümmer, an sein Lebenswerk, an seine Leistungen als Gewerkschafter. Eine Würdigung durch Benennung einer Straße nach ihm ist angedacht. Johann Brümmer, genannt Hans Brümmer, ist also nach Tauberbischofsheim zurückgekehrt. In den 1980er Jahren hatte ich erstmals in der Zeitung und in Zeitschriften öffentlich auf diesen zu Unrecht vergessenen Büschemer hingewiesen. Später auf der Internetseite von Traum-a-Land. Auch in Wikipedia gab ich einige Hinweise zu Brümmer. Auf der Wikipedia-Seite zu Tauberbischofsheim kam Hans Brümmer auf meine Anregung bei den Söhnen und Töchtern der Stadt unter. Und vor einigen Jahren auf dieser Seite hier. Wie man lesen kann, mit etwas kritischeren Untertönen. Und einer plakativen Überschrift. Die ich nun abgeändert habe durch die Einfügung von "(bald nicht mehr)". Insofern ist der nachfolgende Text selbst etwas historisch geworden. In einigen Aussagen überholt. Johann (Hans) Brümmer gehört nun zu den bekannten Büschemern. Zu einem Büschemer, an den man sich erinnert.


Der Artikel in den Fränkischen Nachrichten vom 19.12.2016 ist auch im FNWeb zu finden unter:

http://www.fnweb.de/region/main-tauber/tauberbischofsheim-konigheim-werbach/ein-fast-vergessener-sohn-der-stadt-1.3086070



Einer demokratischen Gesellschaft steht es an, an seine demokratischen Anfänge zu erinnern. Das gilt auch für eine Kleinstadt in demokratischen Zeitläuften. Einem der wichtigsten Söhne dieser Kleinstadt, Johann "Hans" Brümmer, u. a. Vorstand der IG Metall, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus wird in Büscheme am wenigsten gedacht, keine Erinnerung, keine Gedenktafel, kein Bewußtsein. Kein Denkmal erinnert an diesen Sohn der Arbeiterbewegung. Nicht einmal die Gewerkschaft in Büscheme kennt ihn. Obwohl die roten Fahnen der IG Metall in der Büschemer Fußgängerzone munter wehen. Die Vergessenheit in einer Kleinstadt ist manchmal bleiern.


 

Johann Brümmer wurde am 13. Dez. 1886 als Sohn eines Huf- und Wagenschmieds in Tauberbischofsheim geboren und erlernte das Schmiedehandwerk. Wie viele andere seiner Zeit verließ er das Taubertal in Richtung Mannheim. Schon bald bildete sich bei ihm gewerkschaftliches und politische Bewusstsein (Mitglied der SPD) heraus und er wurde zum Gewerkschaftsbevollmächtigen. Später trat er zum Spartakus, dann zur USPD über. Im Januar 1918 organisierte er den Generalstreik in Mannheim. Nach der Revolution war er Mitglied der vorläufigen badischen Volksregierung.


 

Bis 1933 war Brümmer u. a. SPD-Stadtrat in Mannheim, Mitglied des Badischen Landtages und in der Bezirksleitung des Metallarbeiter-Verbandes. In der Nazi-Zeit waren er und seine Frau mehrere Male Opfer der NS-Justiz. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann er mit dem Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung. Das führte zu seiner Wahl als Vorsitzender der IG Metall Nordwürttemberg und Baden, der britischen und amerikanischen Zone und ab 1950 der bundesweiten IG Metall. Mitglied war er ferner im Zentralkomitee des Internationalen Metallarbeiterbundes und im Beratenden Ausschuß der Montan-Union. Desweiteren vertrat er die Gewerkschaftsbewegung als Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung. Also, um es zusammenzufassen, ein Mann der ersten Stunde und des Wiederaufbaues, aber wohl kein Wiederaufbauer, wie ihn die Kleinstadtgötter zum Vorzeigen brauchen können. Lautete doch sein Resümee über den Wiederaufbau in einem Zeitungsartikel als IG Metall Vorsitzenden (31.12.1953) wie folgt: Die Kosten für den Wiederaufbau mussten als überwiegend der Verbraucher und die Arbeitnehmer bezahlen. Eine kleine Schicht des deutschen Volkes hat sich auf diesem Wege ungeheure Reichtümer angesammelt, die wohl einmalig in der deutschen Wirtschaftsgeschichte dastehen.


 

Hans Brümmer starb am 19. Dez. 1966 in Oberaichen bei Stuttgart. Leinfelden-Echterdingen gedenkt Hans Brümmer mit einem Hans-Brümmer-Platz 


 

 

http://www.traumaland.de/html/brummer.html


 


Jens Becker, Harald Jentsch: Otto Brenner. Eine Biografie. Steidl Verlag, Göttingen 2007.

Zum hundertsten Geburtstag von Otto Brenner veröffentlichte die Otto Brenner Stiftung der IG Metall drei Bände zu ihrem früheren Vorsitzenden, der wesentlich die deutsche Gewerkschaftsarbeit nach dem zweiten Weltkrieg prägte. Leider gibt es für einen der gleichberechtigten, ersten Vorsitzenden der IG Metall, dem aus Tauberbischofsheim stammenden Hans Brümmer, bisher keine entsprechende Würdigung, sind die Publikationen über Hans Brümmer sowieso ziemlich rar. In Tauberbischofsheim bisher völlig vergessen, ungeehrt, unerinnert, vergessener als vergessen. Ein Skandalosum, aber typisch für hinterländische Kleinstädte, fortschrittliche Söhne faktisch auszubürgern! Einschränkend darf eingeworfen werden, dass auch die lokale IG Metall und SPD ihren wichtigsten Sohn, ihr wichtigstes Mitglied ignorieren, besser auf den Punkt gebracht gar nicht kennen. Geschichtliches Bewusstsein auf niedrigstem Level.

Die Bedeutung der „linken“ IG Metall für die Entwicklung der BRD als eine der größten Gewerkschaften der Erde muß nicht mehr besonders hervorgerufen werden: Streiks für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Einführung der 40-Stunden-Woche, Kampf gegen die Notstandsgesetze 1968 sprechen für sich. Die Biografie Brenners gibt uns als am Tauberfränkischen Interessierten Möglichkeiten, dem Wirken von Hans Brümmer in der IG Metall nach dem Zweiten Weltkrieg näher zu kommen, auch wenn es an der Politik Brümmers von Brenners Seite aus nicht immer Streicheleinheiten gab. Vorsichtige Kritik brachte der „eiserne“ Otto am Verhalten der IG Metall Bundesvorsitzenden Hans Brümmer und Walter Freitag vor, im Sommer 1951 den streikenden hessischen Metallarbeitern eine Erhöhung des Stundenlohnes von 6 Pfennige zu vereinbaren, obwohl die IG Metall in Hessen 12 Pfennige forderte, obwohl die hessischen Arbeiter weiterhin streikbereit waren, trotz hoher damaliger Arbeitslosigkeit. 

Der 1886 in Tauberbischofsheim geborene Brümmer schlug 1952 vor, den Hannover Bezirksleiter Brenner nach Frankfurt in den IG Metall Hauptvorstand zu holen. Brümmer hoffte, Brenner als seinen Stellvertreter und als seinen Nachfolger einarbeiten zu können. Brümmers Versuch, Brenner als stellvertretenden, nicht als gleichberechtigten Vorsitzenden zu wählen scheiterte. Am 17. Dezember 1952 wurde Brenner zum gleichberechtigten Vorsitzenden der IG Metall gewählt. Nach einem Memorandum von Siegfried Neumann schlug Brümmer allerdings Brenner in der Absicht vor, um „selber regieren“ zu können. Ein Urteil, dass für einen 66jährigen wohl nicht mehr unbedingt zutreffen muß, obwohl Brümmer bis 1956 seine Funktionen ausübte. Brümmer und Brenner, ursprüngliche SPD-Mitglieder, verließen diese und kehrten in die Mutter der deutschen Arbeiterpartei wieder zurück. Im Konflikt mit der DDR gesteuerten KPD zeigten sich beide als harte Vertreter des Einheitsgewerkschaftsprinzips, wohl aus der Erfahrung der Weimarer Zeit heraus. Allen Mitgliedern der KPD, die „Funktionäre unserer Organisation sind oder es werden wollen“ wurde ab Mai 1953 eine von Hans Brümmer und Otto Brenner unterzeichnete Erklärung zugesandt, die eine Loyalitätserklärung gegen über der IG Metall abverlangte. Ursache war die These 37, die auf einem Parteitag der KPD verabschiedet wurde und als Unterwanderung der Gewerkschaft aufgefasst wurde. Insofern löste das KPD-Verbot von 1956 bei den Gewerkschaften keine Protestbewegung aus. Das Einheitsgewerkschaftsprinzip rigide eingehalten, verkrustet gehandhabt, stand allerdings Jahrzehnte später dem Pluralismus, dem Multikulti-Prinzip entgegen, so kam auch die Unterstützung gegen die Daimler-Benz Teststrecke bei Boxberg mehr aus den Arbeiterkräften, die oppositionell gegen die gewerkschaftliche Majorität im Daimler Betriebsrat agierten.

1955 waren gewerkschaftliche Großkampftage: Brenner kämpfte gegen den „Mythos der Sozialpartnerschaft“, gegen die Tendenzen, das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften in der Montanindustrie zu verlieren, gegen die Absicht der Bundesregierung staatliche Schlichtungen bei Tarifauseinandersetzungen zu etablieren. 1956 brachen die Spannungen zwischen Brenner und Brümmer offen auf, insbesondere bei den Beratungen über das Bremer Arbeitszeitabkommen. Brümmer erkrankte, resignierte und verzichtete auf eine weitere Kandidatur zur Wiederwahl als Vorsitzenden. 1961 wurde das Vorstandsmitglied der IG Metall und gleichzeitig Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung „Der Gewerkschafter“ Kuno Brandel unter Einfluss von Otto Brenner entmachtet. Ein für die IG Metall erstaunlicher Vorgang, schieden doch ansonsten Vorstände nur durch Tod, Krankheit oder altersbedingt aus. Hans Brümmer bezweifelte das Recht des Beirates, Kuno Brandel aus seinen Ämtern zu entsetzen. Die Autoren urteilen über Hans Brümmer, dass er zusammen mit Walter Freitag die IG Metall zwar solide, aber ohne Fortune geführt hatten. Die volle Machtentfaltung der IG Metall gelang erst unter der Führung von Otto Brenner. Dies ist allerdings kein Grund, den Tauberbischofsheimer Gewerkschaftsführer Hans Brümmer nicht zu ehren, weiterhin nicht zu würdigen, in seiner Geburtsstadt weitgehend zu ignorieren!