Schlössersbergpfad

Warum steht das Klinglerinkreuz von 1590 so scheinbar isoliert an einer Böschung des auslaufenden Schlössersberghanges des Edelberges? So weit weg von der alten Würzburger Straße? Diese Fragen sind bisher unbeantwortet in der Büschemer Geschichte der Pfade, Wege und Straßen. Meistens wurden sie auch gar nicht gestellt. Ein Bildstock, ein Kreuz braucht neben dem Grund der Aufstellung aber auch einen Weg, eine Straße, am liebsten eine Wegkreuzung. Ein Bildstock, ein Kreuz will beachtet werden, will sakraler Anlaß sein zum Gedenken, zum Verbleiben, Verharren am Bild, am Kreuz. Ein Bild, ein Kreuz, das sind Gedenksteine eines bleiben sollenden Vermächtnisses, Gedächtnisses. Oder wurde das Klinglerinkreuz im Zuge von Ausbauarbeiten an der Alten Würzburger Straße an diesen abseitigen Standort gestellt? Fern der sakralen Funktionen, fern des notwendigen Gedenkens?


Nehmen wir den jetzigen Standort des Klinglerinkreuzes für ernst. Dann muß da auch ein Weg, ein Pfad gewesen sein. Wenn man die räumliche Situation am Kreuz anschaut, dann könnte da auch ein Pfad gewesen sein, der heute nicht mehr sichtbar ist. Nicht mehr sichtbar ist auch ums Kreuz herum die Edelberghohle, die ein durchaus respektables Grabenprofil aufweist mit Tiefe, mit steilen Böschungen. Nur am Kreuz, an der Alten Würzburger Straße ist da nichts auf den ersten Blick sichtbar. Nach 1880 gab es auf Büschemer Gemarkung einen ersten Schub vorhandene Hohlengräben zuschütten, um neue Wege zu schaffen. Z. B. beim Weg an der Hohlen zum Neuberg hin, bei der Schinderhohle. So auch radikal bei der Edelberghohle an der Schlössersberghangseite des Edelberges.


An der Südwestseite des Edelbergs verläuft knapp oberhalb der Edelberghohle ein vom Wegprofil klar erkennbarer ungefähr 1 Meter breiter Pfad. Der allerdings kräftig durch die Gras- und Buschvegetation verdeckt wird. Dieser von mir genannte Edelberg-Basis-Häcker-Weg (siehe https://www.xn--bscheme-n2a.de/Tauberbischofsheim/Edelberg-Haecker-Basis-Weg ) wurde mit kleinen Böschungen fast planmäßig ausgebaut. 


Dieser Pfad der Häcker zur Bearbeitung der unteren Edelberghangseite trifft an einem Punkt auf zwei Wege. Knapp oberhalb der Edelberghohle. Dem Mittelweg, der sich nun den Südwesthang hochzieht und sich in der Hangmitte den Südhang des Edelberges fortsetzt. In Richtung der nördlichen Edelberghangseite, dem Schlössersberg, zieht der Schlössersbergweg nach oben. Ein immer mehr zuwachsender Pfad geht steil die Todesbahn hoch, früher ein rasantes Schlittenvergnügen, wenn auch aufgrund der erreichbaren Geschwindigkeit mit Risiko behaftet. An diesem zentralen Punkt gab es notwendigerweise eine Holzbrücke, um die Edelberghohle zu überbrücken. Heutzutage ist sie in diesem Bereich zugeschüttet. Ungefähr 30 m entfernt von diesem Punkt in Richtung Südwesthang endet die Aufschüttung der Edelberghohle.


Die von mir vermutete Pfadfortsetzung als Schlössersbergpfad läßt diesen planmäßigen Ausbau allerdings weit missen. Das macht es auch schwierig ihn als Pfad zu deuten, zu lesen, zu erkennen. Die Klinglerin mit ihrem Kreuz von 1590 am Ende ist fast das stärkste Zeichen, dass es ihn gegeben haben muss. Auch die Erfordernisse der Weinbergsbearbeitung fordern nahezu heraus, dass es am Ende der Steinrasseln wegen der kurz darauf folgenden Edelberghohle noch einen verbindenden Bearbeitungspfad gegeben haben muss. Ein schönes klares Wegprofil wie beim Edelberg-Basis-Häcker-Pfad fehlt ihm aber dennoch.


Wenn eine Frau wie die Klinglerin ein Kreuz erstellt, dann fehlt da ein Mann. Das ist vermutlich auch das Gedenken des Kreuzes. Vermutlich ging der Mann an dieser Stelle verlustig. Deshalb auch diese frühe Kreuzaufstellung. Wenn auch nicht an einer bedeutenden Straße. Nicht immer tritt ein Verlust auch an einer bedeutenden Stelle ein. Manchmal eben auch an einem Pfad. Die Inschrift des Kreuzes lautet: Anno Domini 1590 den Montag nach dem andern on tags Advent hat Elisabet Klinglerin Wittib dis bilt Gott zu Lob und Zu Ehren stellen lassen.  Unter der Inschrift: Schachbrettmuster im Kreis, deshalb auch oft die Interpretation als Siebmacherkreuz. Wichtig bei der Klinglerin die Betonung des Status als Wittib, also Witwe. Eine Witwe gedenkt ihrem Mann, der wohl an dieser Stelle sein Leben verlor. Also kein klassisches Mordkreuz, sondern wohl eher Erinnerung an einen Todesfall. Unklar ob die Klinglerin, der Klingler aus Büscheme war. Aber auch Auswärtige können auf Büschemer Grund ums Leben kommen. Reisende Händler aus anderen Orten gab es damals durchaus zahlreich. Die ihre Waren, ihre Dienste in anderen Orten anboten. Möglicherweise war der Klingler an diesem Pfad in Richtung GroßRinderfeld, zu den Höfen bzw. Orten in Richtung Paimar, Grünsfeldhausen unterwegs, um seine Dienste anzubieten. Oder er kam aus Richtung GroßRinderfeld, von den Höfen wie dem Böse Hof oder den weiteren um den Rödersteingraben herum, oder aus Richtung Paimar, Grünsfeldhausen und wollte nach Büscheme. Nutzte den heute unbekannten Pfad den Forst herunter, den Forstbuckel herunter, um am damals unbewaldeten Schlössersberghang, einem Rebenhang, in die Tauberstadt zu kommen, als ihn ein unvorhergesehenes Todesereignis den weiteren Weg verweigerte. In den bisher bekannten Namen der Büschemer Ortsgeschichte ist kein Klingler bekannt. In der 1578 erstellten Türkensteuerliste der Büschemer Haushaltsvorstände (männlich), der Witwen, der elternlosen Kinder, der mannlosen AltJungfern wird der Name Klingler nicht aufgeführt.


Aus einem Landschiederumgang, in einem Protokoll davon, findet sich ein Hinweis auf einen bisher unbekannten Pfad beim Forstbuckel, beim Anfang des Forstes. Der Pfad am Klinglerinkreuz könnte sich den Forstbuckel hoch zum Anfang des Forstes fortgesetzt haben. Dann hätte er mehr als die Bedeutung eines Häcker-Bearbeitungsweges gehabt. Viel spricht dafür, dass dieser Pfad mehr Bedeutung hatte, die bisher allerdings unbekannt war. Er steht im Zusammenhang mit den jüngst wieder entdeckten 1490er Steinen im Forst, die ein längst vergessenes, aber geschichtlich sehr bedeutendes Büschemer Areal einsteinten.