Grenzgang. Das Buch von Stephan Thome "Grenzgang" erweckte wieder das Interesse an Grenzgängen. Mit der Hoffnung, sie mögen auch so turbulent sein wie die alle sieben Jahre im hessischen Biedenkopf stattfindenden. In dem eine ganze Kleinstadt ein Wochenende lang im Ausnahmezustand ist. Männergesellschaften Berghänge erstürmen. Frauen ausbrechen, Grenzen überschreiten wollen. Eingefangen werden. Grenzgänger mehrfach hoch geworfen werden. Erotische Eskapaden gefördert werden.
In TauberBischofsheim ist der Grenzgang allerdings heutzutage ein sehr individueller, vereinzelter. Die Tauberfränkischen Heimatfreunde haben nun schon vor längeren Jahren ab und zu Teilstrecken der Gemarkungsgrenze abgelaufen. Hendrik Beierstettel, die Grenzstein-Kids, Grenzstein-Hund Lumi haben in den letzteren Jahren sehr systematisch die Büschemer Gemarkungsgrenzsteine erkundet und festgehalten, siehe Doku auf https://wandertauber.wordpress.com und Google Maps .Passend dazu auch die Dittwarer Kleindenkmale, also die Gemarkungsgrenzsteine eingeschlossen. Auch der Dittwarer Heimatverein hat Wanderungen zu den Kleindenkmalen / Grenzsteinen durchgeführt. Ebenso der Großrinderfelder Heimat- und Kulturverein. Der Grenzgang zwischen TauberBischofsheim und Großrinderfeld verläuft größtenteils im Wald (Forst) und nicht direkt entlang von freien Wegen. Das erschwert den Grenzgang. Allerdings gibt es aktuell - also 2022 - einen schmalen Grenzsteinpfad, der der Gemarkungsgrenze in diesem Abschnitt folgt.
Durch die Eingemeindung von Dittigheim, Dittwar, Dienstadt, Hochhausen, Impfingen ist die Notwendigkeit eines Grenzganges wesentlich eingeschränkt worden. Gehören diese Orte ja nun zur eigenen Gemeinde. Die TauberBischofsheimer Gemarkung wird nur noch mit den eigenständigen Gemeinden Großrinderfeld, Grünsfeld, Königheim begrenzt. Und der nach Grünsfeld gehörenden Gemeinde Grünsfeldhausen.
Gehrig/Müller berichten in "Tauberbischofsheim. Beiträge zur Stadtchronik" von solchen Grenzgängen, die einen Haufen Leute auf die Beine brachten: "Der Amtmann, die beiden Rentmeister, die vier Landschieder, außer ihnen noch vier vom Rat, der Stadtschreiber und sonst viel Leut mit freiem Willen, anderthalbhundert." 1749 wurden 115 Grenzsteine entlang der Gemarkung gezählt. Die Grenzsteine waren sowohl am unteren und oberen Ende mit jeweils drei B (B = Bischofsheim) und dem Mainzer Rad versehen. D. h. auch auf dem im Erdboden versenkten Teil gab es eine "hoheitliche" Markierung des Steines. Die obere war desöfteren verloren gegangen, sei es weil Wagenräder dagegenfuhren, sei es durch Abschlagen. Am Herrentisch war eine der Stationen des Gemarkungsumganges. Des Grenzganges. Der liegt zwar im Tannenwald. Hier wurden die Grenzgänger mit Speis und Trank bei einer Rast versorgt. Wenns was zum Trinke und Esse geit (gibt). Möglicherweise haben sich die drei B der Grenzsteinmarkierung auch in das Bischofsheimer Stadtwappen abgefärbt, wenn auch erst ab 1849. Die drei B bedeuten also jeweils Bischofsheim. Und nicht Bischofsheim Bischof Bonifatius wie es böse Bischemer Buwen herumflunkern. Diese Dreifachnennung eines Buchstabens auf Grenzsteinen, Siegeln und Wappen war in unserem tauberfränkischem Raum sowieso keine Seltenheit.
Sechs Hefte mit Verzeichnis der Grenzsteine und genauen Beschreibungen des Grenzverlaufes finden sich im Stadtarchiv. Weitere im Staatsarchiv Würzburg. Da ließe sich doch ein Stoff daraus machen. Besonders wegen fest gehaltener Grenzstreitigkeiten. Die könnte man doch wieder aufleben lassen. Und besonders den Grenzgang als gemeindlichen Akt. Leider sind einige der Grenzsteine nur funktionslos und ungeordnet im Tauberfränkischen Museum versammelt. Bar ihrer territorialen Bedeutung zusammen gestellt. Zudem sind nicht alle hier aufgestellten Grenzsteine Gemarkungsgrenzsteine. Die Erstellung eines Verzeichnisses, die Verortung auf Lageplänen, die fotografische Ablichtung der Grenzsteine, eine genaue Beschreibung der Wappen und Inschriften, die Wiederbelebung des Grenzganges wären schöne historische Projekte. Den ersten Teil haben die Grenzstein-Kids, der Grenzsteinsuchhund Lumi und Hendrik Beierstettel preisgekrönt im Frühjahr 2019 geleistet. Herbert Baumann veranstaltete in Zusammenarbeit der Tauberfränkischen Heimatfreunde und des Spessart-Vereins einige Jahre lang Teilwanderungen entlang der Gemarkungsgrenzen.
1580 wurden in der Grenzbeschreibung 99 Gemarkungs-Grenzsteine aufgelistet. 1749 dagegen schon 115. Die Begradigung der Tauber, der Ackerbau, der Truppenübungsplatz, Ausweisung des Gewerbegebietes TBB/Großrinderfeld usw. führten zu einer Verminderung des Bestandes von Gemarkungssteinen.
Bei den Gemarkungsgrenzsteinen wurde oft von den Landschiedern an Eck- oder Läufersteinen unterschieden. Ecksteine stehen wie dem Wortsinn nach in Ecken der Grenzen, d.h. hier ist die Grenzlinie in einem Punkt gebrochen, verläuft in verschiedene Richtungen. Läufersteine dagegen stehen auf der Grenzlinie, die sich links und rechts des Läufersteines in gerader Linie fortsetzt. In früheren Jahrhundert waren die Abstände zwischen den Gemarkungsgrenzsteinen sehr groß. Wenn dann ein Gemarkungsgrenzstein verschwand, führte das oft zu Streit zwischen den Gemeinden um den genauen Grenzverlauf. Die Läufersteinen verringerten die Abstände zwischen den Grenzsteinen und gaben mehr Sicherheit über den Verlauf der Gemarkungsgrenzen.
Teilweise übernehmen die Gemarkungsgrenzsteine auch die Funktion eines Waldgrenzsteines / Gemeindewaldsteines, wenn sie gleichzeitig auch den Gemeindewald mit abgrenzen. Dann tragen diese Steine Numerierungen.
Im Großen Forst wurden besondere Grenzsteine gefunden, sehr alt von 1490, teilweise waren sie auch auf den Erdboden niedergelegt und übermoost. Sie tragen die Jahreszahl 1490 - mit kleinen Kreisen die Zahlen voneinander getrennt wie damals durchaus üblich und ein b für Bischofsheim. Heute aber auf Großrinderfelder Gemarkung stehend. Siehe 1490er
Bischofsheim hat Gemarkungsgrenzen gegenüber Dittigheim, Dittwar, Dienstadt, Hochhausen, Impfingen, Großrinderfeld, Grünsfeld, Grünsfeldhausen, Königheim. Alte Gemarkungssteine sind an den Grenzlinien positioniert. Und das seit Jahrhunderten. Die Gemarkungssteine zwischen Dittigheim und Tauberbischofsheim waren auch Grenzsteine unterschiedlicher Herrschaften. Nicht nur einfach nur Kennzeichnung einer anderen Ortsgemeinde. Was Jahrhunderte alte Rivalität verständlich macht. Die heute immer weniger auftritt. Der älteste Gemarkungsstein soll in den Grünsfelder Tannen gestanden haben. Von 1308. Laut Hugo Pahl in seinem Bändchen Bischemer Bösi Buwe. Hier finden sich neben dem Mainzer Rad drei kleingeschriebene b. Auf der Rückseite das G für Grünsfeld. Das große B, dann dreifach vorhanden, wurde erst wesentlich später bei den Grenzsteinen für Bischofsheim genutzt. Tatsächlich aufgefunden hat ihn in den letzten Jahrzehnten keiner mehr. Ob er wirklich von 1308 war. Die Büschemer Grenzstein-Kids, der Grenzsteinsuchhund Lumi und Hendrik Beierstettel haben 2019 in langer systematischer Vergleichsarbeit Indizien gefunden, dass dieser verschwundene Stein von 1508 sein müsste. Er sieht im Vergleich zu den Gemarkungsgrenzsteinen von 1508 genauso aus, hat das selbe erhabene Wappenschild. Ebenso die drei kleinen b, und das gleiche Mainzer Wappenrad.
"38 Kilometer lang ist die alte Gemarkungsgrenze von Bischofsheim, etwas mehr als 240 Grenzsteine haben sie nicht nur entdeckt und frei geschnitten, sondern auch mit Wurzelbürsten vom Moos befreit, um die Inschriften zu entziffern. Außerdem erstellten sie eine Dokumentation. Jeder Stein wurde fotografiert, mit einer Nummer versehen, um eine Doppelerfassung zu verhindern, und genau beschrieben. Der älteste Grenzstein, den sie entdeckt haben, steht bei Dittwar im Brehmbachtal und trägt die Jahreszahl 1474. Bei diesen frühen Steinen gibt es noch ein Wappenschild, bei den anderen ist das Mainzer Rad direkt in den Stein gemeißelt. Auch die Speichenzahl variiert.
Ähnlich wie ein kleiner Pfeil auf den Leitplanken an der Autobahn die Richtung zur nächsten Notrufsäule weist, ist es auch bei den Grenzsteinen. „Als wir diese Markierungen entdeckten, waren die Kinder kaum zu halten, weil sie den nächsten Stein finden wollten“, so Hendrik Beierstettel. Die „schlaue Lumi“, wie Jonne die Hündin nennt, war manchmal sogar schneller. Sie preschte voran und wies den Feldgeschworenen so den Weg zum nächsten steinernen Zeitzeugen.
Die Suche nach dem von Pahl beschriebenen Stein aus dem Jahr 1308 blieb allerdings erfolglos. Trotz stundenlanger Suche war der nicht aufzufinden. Hendrik Beierstettel recherchierte daraufhin nach. Grenzsteinexperten sind sich einig, dass es kunstvoll gefertigte und mit Jahreszahl und Wappen versehene Grenzsteine erst ab dem 15. Jahrhundert gab. Da die Grenzstein-Jungs einige Steine aus dem Jahr 1508 fanden, vermuten sie nun, dass Pahl die vermutlich verwitterte Zahl schlichtweg falsch gelesen hat." Heike von Brandenstein, Fränkische Nachrichten vom 13. Juli 2019. Siehe:
Zudem wird von Landschiedern in den Umgängen festgestellt, dass der 1308er auf Grünsfelder Seite das Wappen der Leuchtenberger aufweist. Die kamen in Grünsfeld aber erst ab 1400 zum Zuge. Hendrik Beierstettel ist an der Bearbeitung der Landschiederprotokolle dran und dann wird man in dieser und in vielen anderen Gemarkungsfragen neue Aspekte finden und weiter sehen.
Ein Grenzgang entlang der Gemarkungsgrenze Büschemes zeigt das Spannende solcher Grenzgänge. Siehe dazu unter:
Grenzgang Büscheme - Impfingen
Grenzgang Büscheme-Großrinderfeld
Grenzgang Büscheme-Grünsfeldhausen
Grenzgang Büscheme - Grünsfeld
Grenzgang Büscheme - Dittigheim
Grenzgang Büscheme - Königheim
Grenzgang Büscheme - Dienstadt
Grenzgang Büscheme - Hochhausen
Dreimärker
Dreimärker markieren den Gemarkungsgrenzpunkt, an dem drei Gemarkungsgrenzen zusammenlaufen, wie im Wiesenbach die Gemarkungen von Büscheme, Dittwar und Königheim, im Forst die Gemarkungen von Büscheme, Impfingen und Großrinderfeld. Von Büscheme, Dittigheim und Grünsfeld. Am Rinderbach von Büscheme, Dienstadt und Königheim. Bei der Holzflur von Büscheme, Hochhausen, Dienstadt. Im Rödensteingraben von Büscheme, Grünsfeldhausen, Großrinderfeld.
Der älteste Dreimärker, Büscheme-Dittiche-Grünsfeld, am Rand des Truppenübungsplatzes, am Waldrand stehend, das Gewann Dreieckiger Stein erinnert an ihn, ist nun beim Schloß platziert. Beim kleinen Seiteneingang.
Die "jüngsten" Gemarkungssteine
Um 1840 wurden an markanten Stellen einige Gemarkungssteine neu gesetzt. Dabei wurde größere Grenzsteine als bisher verwendet. Sie ragen auch deutlicher als die früheren aus der Erde heraus. An der Büschemer - Dittigheimer Grenze wurde nochmals 1863 ein mächtiger Gemarkungsstein gesetzt. An der Büschemer - Großrinderfelder Grenze noch nach 1870. Wohl damit auch die jüngsten Gemarkungssteine auf Büschemer Gemarkung.
Bei Gemarkungsgrenzsteinsetzungen nach dieser Zeit infolge von nachträglichen Veränderungen der Gemarkungsgrenzen, um z. B. kleine Geländezipfel, die in die andere Gemarkung hineinstoßen auszugleichen, wurde nach Vorgabe eines Großherzoglich Badischen Gesetzes dazu nur noch einfache Gemarkungsgrenzsteine gesetzt, die zunächst ein großes G für Gemeinde vorangestellt haben und dann den Großbuchstaben der Gemeinde, z. B. D für Dittigheim (siehe das folgende Foto von der Gemarkungsgrenze Büscheme - Dittigheim unterhalb des Grünsfelder Weges mit GD.
Das Ende eines Gemarkungssteines
Viele Gemarkungssteine sind inzwischen verloren gegangen. Manche wurde vergraben, weil die Gemarkungsgrenze sich geändert hatte. Oder wurden an eine andere Stelle gesetzt. Um das tauberfränkische Museum im Schloß herum. In private Gärten. Maschinelle landwirtschaftliche Tätigkeiten bergen ein Risiko für die oft verborgen unter hohen Gräsern sitzenden Grenzsteine. Hier hat ein Landwirt einen mächtigen Gemarkungsstein voll getroffen. Inzwischen wieder aufgestellt. Ausgerechnet der 1474 Grenzstein wurde im Sommer 2022 "umgemäht". Ebenfalls inzwischen wieder aufgestellt. Von der Einmaligkeit eines Büschemer Grenzsteinbeauftragten. Wie heißt es so schön: Das Amt kommt zum Mann. Zum richtigen.